9. Würzburger Schimmelpilz-Forum
Schimmelpilzgifte einatmen ist schlimmer als sie zu essen
Schimmelpilze können Mykotoxine bilden. Vor diesen hochgiftigen Substanzen werden die Verbraucher dann geschützt, wenn es um kontaminierte Nahrungsmittel geht. Doch „das Einatmen von Toxinen ist wesentlich problematischer, als die Aufnahme über Lebensmittel“, warnt Prof. Dr. med. vet. Dr. habil. Manfred Gareis. „Das, was wir für den Verbraucherschutz wunderbar in ganz Europa etabliert haben, fehlt komplett im Zusammenhang mit der Belastung, die man als Bewohner von Schimmel geschädigten Innenräumen hat.“
Das menschliche Auge reicht nicht aus, um Schimmelschäden im Frühstadium oder Schimmelsporen zu erkennen. Auch kann man mit bloßem Auge nicht hinter vorgeblendete Decken- und Wandbauplatten oder in Fußbodenkonstruktionen sehen. Wo genau ein Schimmelschaden vorliegt und welche tatsächlichen Ausmaße er hat, ist in den meisten Fällen eine reine Vermutung. Eine Vermutung auf deren Basis nahezu 90 Prozent aller Sanierungen durchgeführt und von den Bauherren akzeptiert werden.
Bei Schimmel sanieren wir einfach mal
Ginge man mit Bauchschmerzen zum Arzt und dieser rät die Entfernung des Bilddarms, würde man vor der Operation garantiert auf eine genaue Untersuchung bestehen. Bei einem Schimmelschaden im Gebäude verlassen sich jedoch viele auf das Halbwissen und Scheinargumente vermeintlicher Experten. Dabei können falsch investierte Kosten eine andere Form von Schmerzen verursachen.
Abhilfe schafft eine mikrobiologische Untersuchung. Sie gibt unter wirtschaftlichen und gesundheitlichen Gesichtspunkten Aufschluss über das verdeckte und nicht sichtbare Ausmaß des Schadens. Doch eine mikrobiologische Bestandsaufnahme wird derzeit nur bei 10 Prozent der Sanierungen durchgeführt, so das erschreckende Ergebnis einer Umfrage unter den Teilnehmern des 9. Würzburger Schimmelpilz-Forums.* Über 70 Prozent der befragten Architekten, Bausachverständigen, Bau- und Sanierungsunternehmer sowie Juristen sind dieser Meinung. Dabei würde eine interdisziplinäre Bewertung der Bausubstanz durch Innenraumanalytiker, ausführende Architekten und Bausachverständige den tatsächlichen Schaden konkretisieren und nachhaltig Kosten sparen. Der Sanierer würde nicht aufs grade Wohl arbeiten und Folgeschäden durch Falschsanierungen würden vermieden.
Toxine einzuatmen ist problematischer als sie zu essen
Dass das nicht nur für den Geldbeutel relevant ist, darin sind sich Dr. Gerhard Führer, öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Schadstoffe in Innenräumen und Prof. Dr. med. vet. Dr. habil. Manfred Gareis von der Ludwig-Maximilians-Universität München einig. Für sie geht es um den Gesundheitsschutz für den Menschen. Schon seit Jahrzehnten ist bekannt, dass Schimmelpilze Mykotoxine bilden können. Vor diesen hochgiftigen Substanzen werden die Verbraucher dann geschützt, wenn es um kontaminierte Nahrungsmittel geht. Lebensmittel werden deshalb regelmäßig kontrolliert. Bestimmte Grenzwerte dürfen nicht überschritten werden. Doch „das Einatmen von Toxinen ist wesentlich problematischer, als die Aufnahme über Lebensmittel“, warnt Gareis und sagt: „Das, was wir für den Verbraucherschutz wunderbar in ganz Europa etabliert haben, fehlt komplett im Zusammenhang mit der Belastung, die man als Bewohner von schimmelgeschädigten Innenräumen hat.“ Er fordert, „dass wir Studien durchführen, die diese Situation vernünftig erfassen hilft und erlaubt, Schutzmaßnahmen zu ergreifen, wie wir es im Lebensmittelbereich schon längst getan haben.“
Nur der Wissende kann sehen
„Man sieht nur das, was man weiß“, sagt auch Dr. med. Peter Ohnsorge, Environmental Medicine Consulting, Würzburg. Der klinische Umweltmediziner gibt zu Bedenken: „Wir haben immer mehr Erkenntnisse, also sehen wir auch mehr Belastungen. Aber nur der Sehende eben, die anderen schauen darüber hinweg und geben sich mit einfachen Diagnosen zufrieden.“ Viele fällen Diagnosen, die einfach in den Raum gestellt werden, ohne, dass nach dem Grund gefragt wird: Warum haben beispielsweise die Mitglieder einer Familie eine chronische Infektion? Würde man statt der Verordnung von Pillen gezielt nachfragen, bekäme man Antworten, käme auf die tatsächlichen Ursachen.
„Unwissenheit, mangelnde Kompetenz bei den ausführenden Unternehmen, Panikmache, Verharmlosung aber auch Verdrängung, verschärfen noch immer die Problematik rund um Schimmelbelastungen in Innenräumen“, ergänzt Führer, der vor neun Jahren erstmals das Schimmelpilz-Forum veranstaltete. Gesicherte Zahlen und verifizierte Werte seien erforderlich um präventives Handeln zu fördern, so dass gesundheitliche Gefährdungspotenziale im Vorfeld erkannt, Fehlerquellen und Kostenfallen vermieden und Qualitätsstandards etabliert werden.
Das Würzburger Schimmelpilz-Forum findet einmal jährlich im Gesandtenbau des Weltkulturerbes Residenz Würzburg statt. Initiator und Veranstalter ist das unterfränkische Sachverständigen-Institut peridomus. Seit jeher bündelt peridomus mit dem Fachforum über die Landesgrenzen hinaus fundiertes Expertenwissen und Praxis-Know-how. Um die Kompetenzen aus Forschung, Lehre und praktischer Gutachtertätigkeit zusammenzuführen, veranstalteten in diesem Jahr erstmals drei Institutionen gemeinsam die internationale Fachtagung: Neben dem Sachverständigen-Institut peridomus sind dies die Donau-Universität Krems und die Hochschule Mainz. Alle drei sind auch Kooperationspartner der Weiterbildung „Schimmel im Bauwesen“, eine Zusatzqualifikation für die Fachrichtungen Architektur, Bauingenieurwesen, Technisches Gebäudemanagement, Bau- und Immobilienmanagement/Facility Management, Technisches Immobilienmanagement und andere, die mit bzw. an der Thematik Schimmel arbeiten.
*) Im Rahmen des 9. Würzburger Schimmelpilz-Forums wurden 120 Bauverantwortliche zu Feuchte- und Schimmelschäden im Neubau, im Bestand und bei energetischen Sanierungen befragt. Darunter sind Architekten, Sachverständige, Bauingenieure, Planer, Bau-, Sanierungs- und Trocknungsunternehmer sowie Juristen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz.